2. Kapitel
Das Steuerkreiskonzept




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2.1
Das Problem


2.2
Das Lösungs-
konzept

2.3
Beispiel:
Dualzahlen-
multiplikation


2.2 Das Lösungskonzept

Wesentlich für das Lösungskonzept im 1. Kapitel war die Erkenntnis, dass man sich zum großen Teil von der Vorstellung lösen darf, bei dem zu lösenden Problem handle es sich ausschließlich um ein Problem der Informationstechnik. Diese Erkenntnis kennzeichnet auch das Lösungskonzept im vorliegenden 2. Kapitel. Denn es geht ja nun darum, Regeln für eine angemessene Zerlegung einer Blackbox bei vorgegebener Spezifikation ihrer Schnittstelle mit der Umgebung zu finden. Eine Schnittstelle besteht grundsätzlich aus einer Menge von Kanälen, und zu jedem dieser Kanäle kann man angeben, ob das, was darüber fließen wird, Materie, Information oder Energie ist. Aus dem Zweck, der mit der Nutzung der Blackbox verfolgt wird, folgt eindeutig eine Zweiteilung der Menge der Kanäle in die Teilmenge der sog. Operationskanäle einerseits und in die Teilmenge der sog. Steuerkanäle andererseits. Über die Operationskanäle fließt all das, was unmittelbar dem Zweck der Blackbox zugeordnet werden kann. Wenn beispielsweise der Zweck darin besteht, einen Kuchen zu backen, dann muss es Eingangskanäle geben, über die die Zutaten ins System hineinkommen können, und es muss einen Ausgangskanal geben, über den der Kuchen aus dem System herauskommen kann. Weitere Operationskanäle sind in diesem Fall nicht erforderlich.

Am Beispiel des kuchenbackenden Systems erkennt man aber auch, dass es neben den Operationskanälen noch eine andere Sorte von Kanälen geben muss. Denn jeder einzelne Operationsakteur kennt nur die Art der Arbeitsschritte, die er selbst ausführen kann; er weiß aber nicht, wie seine Arbeitsschritte kausal in den Prozess des Kuchenbackens eingeordnet sind. So muss beispielsweise der Backofen gesagt bekommen, wann er mit dem Aufheizen beginnen und auf welche Temperatur er sich einstellen soll. Es muss deshalb im System auch einen Akteur geben, der weiß, welche Arbeitsschritte in welcher Reihenfolge ausgeführt werden müssen, damit aus den Zutaten ein Kuchen wird. In allen Systemen, in denen eine Menge von Operationsakteuren kooperieren mit dem Ziel, gemeinsam eine bestimmte Leistung zu erbringen, gibt es eine ganz typische Art der Arbeitsteilung: Die Operationsakteure können die jeweils erforderlichen Arbeitsschritte ausführen, sie wissen aber nicht, wann sie ihre spezifischen Schritte ausführen sollen. Und deshalb werden sie nur aktiv, wenn sie vom Steuerungsakteur einen entsprechenden Auftrag erhalten. Die Kanäle, über die der Steuerungsakteur in seine Umgebung eingebettet ist, sind keine Operationskanäle. Operationsknäle dienen nur dazu, die Operationsakteure untereinander und mit der Außenwelt zu verbinden. Alle Kanäle, über die der Steuerungsakteur mit den Operationsakteuren und der Außenwelt verbunden ist, sind Steuerungskanäle. Über diese Kanäle fließen ausschließlich Informationen in Form von Aufträgen und Meldungen.

Die gemachten Aussagen über die zwei Arten von Kanälen und Akteuren führen zu dem folgenden allgemeinen Aufbauplan. Jedes System, auf das dieser Aufbauplan zutrifft, habe ich - in Anlehnung an den Begriff des Regelkreises - als Steuerkreis bezeichnet.

Während die Anzahl und Art der Operationsakteure und ihre Verbindungen durch Kanäle sehr stark vom Zweck des Steuerkreises abhängen, ist die Struktur des Steuerungsakteurs davon völlig unabhängig. Beim Steuerungsakteur handelt es sich nämlich immer um einen informationstechnischen Automaten, der mittels eines Ablaufplans spezifiziert wird. Dieser Ablaufplan ergibt sich aus dem Zweck des Steuerkreises und dem Netz der Operationsakteure. Dem Ablaufplan kann man die Anzahl der Zustände des zu realisierenden Automaten entnehmen. Da jeder Steuerzustand als Knoten im Ablaufplan vorkommen muss, bleibt die Anzahl der Zustände in jedem Falle überschaubar, sodass die Realisierung des Steuerautomaten nach bekannten Methoden der Schaltwerkstheorie erfolgen kann.


Bevor ein Beispiel eines Steuerkreises für die digitale Informationsverarbeitung (Abschnitt 2.3) vorgestellt wird, soll zuerst noch ein Beispiel betrachtet werden, welches zeigt, dass das Konzept des Steuerkreises ein sehr breit anwendbares Konzept ist und keinesfalls auf den Bereich der Informationstechnik beschränkt ist.

Der links dargestellte Aufbauplan zeigt die Operationsakteure eines Getränkeautomaten und die Aktionsfelder, auf denen sich ihre Aktionen abspielen. Die Kanäle, über die der nicht dargestellte Steuerungsakteur mit den Operationsakteuren kommuniziert, sind durch die kleinen Pfeile mit den roten Spitzen erfasst.

Das System lässt sich leicht verstehen, indem man sich vorstellt, man trete an den in Ruhe befindlichen Automaten heran und wolle sich eine Flasche Mineralwasser kaufen. In diesem Zustand steht im Display die Aufforderung: "Bitte wählen Sie ein Getränk durch Drücken der zugehörigen Auswahltaste." Der Schlitz für den Einwurf von Münzen ist in diesem Zustand noch geschlossen. Nach dem Drücken einer der Auswahltasten erscheint im Display entweder die Bezeichnung des gewählten Getränks und dessen Preis, oder aber, falls das gewünschte Getränk aktuell nicht im Lagerbehälter vorrätig ist, erscheint eine entsprechende Mitteilung. Falls der Kauf möglich ist, wird der Schlitz für den Münzeinwurf geöffnet. In dieser Situation sind die Tasten noch nicht blockiert sondern können noch zur Korrektur des Getränkewunsches oder zum Abbruch des ganzen Vorgangs benutzt werden. Nachdem aber die erste Münze eingeworfen wurde, sind alle Tasten blockiert außer derjenigen, die dazu dient, den Vorgang abzubrechen und die Rückgabe der bereits eingeworfenen Münzen zu verlangen. Nach jedem Münzeinwurf wird im Display angegeben, wieviel Geld noch eingeworfen werden muss, bis der Kaufpreis erreicht ist. Sobald durch einen Münzeinwurf der Kaufpreis erreicht oder überschritten wird, kann der Vorgang nicht mehr abgebrochen werden. Deshalb ist dann ist auch die Abbruchtaste blockiert. Nun wird die Flasche oder Büchse mit dem gewünschten Getränk in das Ausgabefach transportiert. Gleichzeitig wird auch eine gegebenenfalls geleistete Überzahlung korrigiert, indem die Differenz zwischen dem Kaufpreis und der Summe der eingeworfenen Münzen zurückgegeben wird. Falls dieser Rückzahlungsbetrag nicht mit den im System befindlichen Münzen gebildet werden kann, wird noch kein Getränk ausgegeben, sondern es erscheint auf dem Display eine entsprechende Mitteilung. Der Käufer kann dann wählen, entweder auf der Getränkeausgabe zu bestehen und auf das Restgeld zu verzichten, oder alles einbezahlte Geld zurückzuverlangen.

Für den Fall, dass Münzen fremder Währungen oder münzähnliche Gegenstände eingeworfen werden, hat der Münzenprüfer einen direkten Zugang zum Ausgabefach, damit er diese nichtakzeptablen Gegenstände gleich wieder zurückgeben kann.

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